Die Selbstauskunft

Die Selbstauskunft

07. Juli 2013 | Bau- u. Immobilienrecht | von Prof. Dr. Ralf Stark

Selbstauskünfte des Mieters werden heute von den Mietinteressenten ganz überwiegend vor der Vermietung gefordert. Erteilt der Mieter hier unrichtige Auskünfte reichen die Rechtsfolgen von einer Anfechtung des Mietvertrages bis hin zu einer Kündigung und oder Räumungsklage. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über dieses praxisrelevante Thema.

Eine Verpflichtung zur Abgabe einer Selbstauskunft und damit zum Ausfüllen von Fragebögen besteht grundsätzlich nicht. Da auf der anderen Seite jedoch auch keine Verpflichtung zur Vermietung einer Wohnung besteht, werden die abverlangten Selbstauskünfte ganz überwiegend erteilt, indes nicht immer richtig und wahrheitsgemäß beantwortet. Dies führt zu der Frage, welche Folgen die unrichtige Beantwortung gestellter Fragen hat, insbesondere, ob der Vermieter den geschlossenen Mietvertrag anfechten oder außerordentlich kündigen kann.

Ob das eine oder das andere der Fall ist, hängt entscheidend davon ab, ob die Fragen zulässig sind und zu welchem Zeitpunkt der Vermieter die Lüge bemerkt.

Eine zulässige Frage setzt vor allem ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung voraus. Ein solches Interesse ist bei einem Mietverhältnis nur dann gegeben, wenn die Unrichtigkeit sich auf die Umstände bezieht, die bei objektiver Würdigung für den Abschluss des Vertrages wesentlich waren und der Mietvertrag bei richtiger Antwort nicht geschlossen worden wäre. Zulässig sind demnach beispielsweise Fragen nach dem Arbeitgeber und dem Einkommen. Nicht zulässig ist jedoch die Frage, ob der Mieter die Eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, wenn sie ohne zeitliche Beschränkung erfolgt, da die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis regelmäßig nach drei Jahren gelöscht wird. Ebenfalls unzulässig sind die Fragen nach der Religionszugehörigkeit, der sexuellen Orientierung, nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren oder die Frage nach einer Partei- oder Vereinszugehörigkeit. Sind die Fragen unzulässig, so darf der Mietinteressent diese Fragen auch falsch beantworten !

Ist die Frage hingegen zulässig und beantwortet der Mietinteressent die Frage unrichtig (lügt er also !), hängt die Rechtsfolge davon ab,wann der Vermieter die Lüge des Mieters bemerkt:

Bemerkt der Vermieter die Lüge vor Einzug des Mieters, kann der Vermieter den Vertrag anfechten und gegebenenfalls Schadensersatz (bspw. die Kosten einer erneuten Anzeigenschaltung) verlangen. Der Vertrag ist danach unwirksam, sodass der Mieter hieraus keinerlei Rechte ableiten kann, insbesondere also auch nicht in die Wohnung einziehen darf.

Bemerkt der Vermieter die „Lüge“ indes erst nach Einzug des Mieters, so ist eine Anfechtung des Vertrages nicht mehr möglich. In diesem Fall kann der Vermieter den Vertrag nur fristlos kündigen, sofern die Fortsetzung des Mietverhältnisses in Folge der Pflichtverletzung des Mieters (also der Lüge !) unzumutbar wäre. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Falschauskünfte dahingehend auswirken, dass die berechtigten Interessen des Vermieters an regelmäßigen Zahlungseingängen beeinträchtigt werden oder in Zukunft beeinträchtigt sein könnten. Zahlt der Mieter demgegenüber die Miete pünktlich, wirkt sich die „Lüge“ nicht aus, sodass hiernach keine Möglichkeit für den Vermieter besteht sich von dem Mietvertrag zu lösen.

Praxishinweis:

Zulässige Fragen sind:

  • nach der Identität des Mieters (Name, Vorname, Anschrift, Telefon)
  • nach dem Einkommen: Die Mietinteressenten müssen hierbei richtigerweise nicht ihre eigenen gesamten finanziellen Verhältnisse und Verbindlichkeiten offenbaren. Eine solche umfassende Offenbarungspflicht mit detaillierten Fragen zur persönlichen und finanziellen Situation würde in das Recht auf informelle Selbstbestimmung der Mietinteressenten zu stark eingreifen. Die Angabe des reinen Nettoverdienstes alleine gibt dem Vermieter aber konkrete Anhaltspunkte über die Solvenz des Mieters im Vergleich zur Mietzinshöhe.
  • nach dem Beruf: Zwar kann nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Arbeitslose nicht ihre Wohnungen bezahlen können, zumal über Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe und Wohngeld eine öffentliche Unterstützung für die Mietzahlungen möglich ist. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass Mieter mit gesicherten Arbeitsplätzen grundsätzlich zahlungsfähiger sind als arbeitslose Mietinteressenten. Außerdem wird über den Beruf die Miete finanziert und kann z.B. bei Musikern, die in ihrer Wohnung üben wollen, auch die Hausgemeinschaft an sich berühren.
  • nach der Anzahl der einziehenden Personen: Der Vermieter hat ein überwiegendes Interesse daran zu erfahren, durch wie viele Personen das Mietobjekt bewohnen werden und wie stark es dadurch auch abgenutzt werden könnte bzw. ob sich z.B. eine Großfamilie in die Hausgemeinschaft eingliedern könnte.
  • nach der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch den Bewerber: Da die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Sinne des § 807 ZPO nach dieser Vorschrift auch nur in Betracht kommt, wenn eine vorausgegangene Pfändung nicht zum Erfolg geführt hat oder doch nicht erfolgversprechend erscheint (§ 807 Abs. 1 ZPO), muss die Durchführung eines Verfahrensgemäß § 807 ZPO zu ernstlichen Zweifeln an der Solvenz des Betroffenen führen, wenn der Betroffene Mieter des Objekts wird.
  • nach einigen Lebensgewohnheiten: z.B. ob der Mietinteressent Raucher ist.

Unzulässige Fragen sind:

  • nach der konkreten Person des Arbeitgebers: Dem Vermieter steht hier kein schützenswertes Informationsinteresse zur Seite.
  • nach dem Familienstand: Die Frage, ob jemand verlobt, geschieden oder verheiratet ist, ist unzulässig. Ebenfalls die Frage nach einer bestehenden Lebenspartnerschaft. Die Ehe, die nichteheliche Lebensgemeinschaft und die Lebenspartnerschaft genießen heutzutage weitgehende (gleiche) Rechte und daher gibt es kein schützenswertes Interesse bzgl. der Zulässigkeit dieser Fragen.
  • nach Namen und Adresse des Vorvermieters: Die Frage zum Vorvermieter ist unzulässig. Das gleiche gilt für Fragen nach dem früheren Mietverhältnis und dem Grund für die Beendigung des letzten Mietverhältnisses.
  • nach Rasse, Nationalität sexueller Neigung (z.B. Homosexualität): Die Fragen nach Rasse, Nationalität und auch sexueller Neigung sind grds. wegen Verstoß gegen Allgemeine Persönlichkeitsrecht und den Gleichheitsgrundsatz unzulässig.
  • nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft: Die Frage ist grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme wird nur gelten, wenn der Vermieter selbst eine bestimmte Religionsgemeinschaft repräsentiert (z.B. eine Kirche vermietet Zimmer an Studenten der gleichen Konfession).
  • nach einer Partei- oder Vereinszugehörigkeit: Die Frage nach der Mitgliedschaft im Mieterverein, einer Partei oder nach der Aufenthaltsberechtigung sind unzulässig.
  • nach der Familienplanung: Mit den sozialstaatlichen Prinzipien und den vorgenannten Rechten beim nachträglichen Einzug von Kindern in die Wohnung wäre es nicht vereinbar, wenn nicht auch die aus der Ehe entspringenden Kinder sowie die damit verbundene Schwangerschaft der Ehefrau und die spätere Aufnahme der Kinder in die Wohnung geschützt wären. Wenn demnach schon die Aufnahme von Kindern in die Wohnung geschützt ist, kann dies auch nicht anders hinsichtlich der Schwangerschaft zu beurteilen sein. Von daher ist die Frage ebenfalls als unzulässig und „offensichtlich persönlichkeitsrechtsverletzend“ anzusehen.
  • nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren: Um eine Resozialisierung der Gestrauchelten nicht unnötig zu erschweren (und den sich redlich um ein Mietwohnung bemühenden Vorbestraften nicht in unnötige Gewissenskonflikte zu bringen, die der Gewissenlose im ürigen weniger als der Anständige haben wird), überwiegt das Interesse des Mieters an der Geheimhaltung der Vorstrafe. Die Frage nach einem anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist daher ebenfalls unzulässig.
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