„Klappe zu, Affe tot ?“

„Klappe zu, Affe tot ?“

15. Februar 2014 | Bau- u. Immobilienrecht, Wohnungseigentumsrecht | von Prof. Dr. Ralf Stark

Nicht selten besteht in einer Eigentümergemeinschaft Streit darüber, ob und wann die Hauseingangstüre verschlossen oder offen bleibt. Auf der einen Seite stehen hier Bequemlichkeitsinteressen, auf der anderen Seite berechtigte Sicherungsinteressen der Eigentümer und Bewohner gegenüber. Dabei ist das Problem rechtlich vielschichtig, da es nicht nur um Rechtsfragen der Eigentümer untereinander, sondern auch der Eigentümer zu ihren Mietern sowie – mit erheblicher Relevanz – auch um öffentlich-rechtliche Aspekte des Brandschutzes geht. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick zu dieser konfliktreichen Problematik:

Hinsichtlich der Frage, ob respektive wann eine Hauseingangstüre geschlossen werden muss oder kann sind drei Rechtsbereiche zu unterscheiden:

  • der mietrechtliche Aspekt
  • dass Wohnungseigentumsrecht
  • öffentlich-rechtliche Brandschutzvorschriften

1. Mietrechtliche Aspekte
Bekanntlich folgt aus dem Erfordernis der gegenseitigen Rücksichtnahme das Vermieter und Mieter gehalten sind den „Hausfrieden“ zu bewahren. Auch wenn der Begriff des Hausfriedens im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht definiert ist, lassen sich durch eine wirksam beschlossene und vereinbarte Hausordnung einzelne Pflichten der Vermieter und Mieter konkretisieren. Dementsprechend finden sich in den Hausordnungen nicht selten Regelungen über Ruhezeiten im Hause und/oder auch über die Benutzung von Gemeinschaftseinrichtungen. Ebenso findet sich in Hausordnungen nicht selten die Formulierung:„Die Haustüre ist in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr fest verschlossen zu halten.“Eine derartige Regelung kann jedoch von dem Vermieter nicht einseitig aufgestellt werden. Wirksam ist eine derartige Vorgabe nur dann, wenn die Hausordnung als Bestandteil des Mietvertrages vereinbart wurde. Dabei ist zu beachten, dass die Hausordnung grundsätzlich alle Mieter gleichermaßen an der Erfüllung der darin enthaltenen Verpflichtungen beteiligen muss. Ausnahmen sind nur möglich, wenn es hierfür einen sachlichen Grund gibt etwa wie alters- oder krankheitsbedingte Notwendigkeiten respektive Behinderungen pp. . Festzuhalten ist damit, dass aus mietrechtlichen Gesichtspunkten eine Schließregelung nur dann möglich ist, wenn sie entweder einzelvertraglich vereinbart oder aber in einer Hausordnung normiert wurde, welche ihrerseits wirksam in den Mietvertrag einbezogen sein muss.

2. Wohnungseigentumsrechtliche Aspekte
Die Wohnungseigentümer haben bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentum, ebenso wie bei der Regelung des Gebrauchs, ein aus ihrer Verwaltungsautonomie entspringendes Ermessen, ob und mit welchen Regelungen eine Hausordnung beschlossen wird. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass dieses Ermessen einer gerichtlichen Nachprüfung weitestgehend entzogen ist. Eine Abänderung oder sogar Ersetzung von Regelungen der Hausordnung durch das Gericht kommt deshalb nur in Betracht, wenn außergewöhnliche Umstände ein Festhalten an einem Beschluss oder einer Vereinbarung als grob unbillig und damit als gegen Treu und Glauben verstoßen anzusehen ist. Anders ist es nur dann, wenn es nicht um die Abänderung oder Ersetzung bestehender Regelungen geht, sondern um deren Ergänzung durch zusätzliche Gebrauchs- oder Verwaltungsregelungen. Dementsprechend kann die Hausordnung durchaus Verhaltensvorschriften enthalten, mit denen der Schutz des Gebäudes, die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung und die Erhaltung des Hausfriedens sichergestellt werden soll. Damit ist es auch ein zulässiger Inhalt einer Hausordnung, wenn die den Wohnungseigentümern obliegenden Sorgfaltspflichten zur Sicherheitsvorsorge und Gefahrenverhütung konkretisieren werden. Demnach können auch durch eine Hausordnung Regelungen getroffen werden, die das Verschließen der Haustüre zur Nachtzeit gebietet oder aber verbietet. Denn im Rahmen ihrer Gebrauchsregelung entscheiden die Wohnungseigentümer grundsätzlich nach freiem Ermessen auch darüber, ob und wann die Haustüre in einer Wohnungseigentümergemeinschaft offen oder geschlossen zu halten ist. Besonderheiten sind jedoch dann zu beachten, wenn es sich um eine gemischte Immobilie mit Wohn- und Gewerberäumen, insbesondere Arztpraxen, Rechtsanwaltskanzleien oder ähnliches handelt. Bei einer derartigen Anlage entspricht ein ständiges Offenhalten der Haustüre durchaus einem ordnungsgemäßen Gebrauch. Der Umstand, dass hierdurch die Sicherheit des gemeinschaftlichen Eigentum durch das ständige Offenhalten der Haustüre vermindert wird, bildet spiegelbildlich einen unvermeidbaren Nachteil für die übrigen Wohnungseigentümer. Deshalb kann – unabhängig von sonstigen rechtlichen Erwägungen – schon die tatsächliche Lage dafür sprechen, zumindest während der Geschäftszeit tagsüber eine generell unverschlossene Haustür anzuordnen.

3. Öffentlich rechtliche Aspekte
Aus den Vorschriften des Bauordnungsrecht folgt, dass bauliche Anlagen stets so anzuordnen und auszuführen sind, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Dies setzt unabdingbar voraus, dass bauliche Anlagen im Brandfall über passierbare Rettungswege verfügen. Insbesondere muss der Brandschutz dauerhaft, d.h. während der gesamten Nutzungsdauer der Immobilie gesichert sein. Die Verantwortlichkeit hierfür trifft den jeweiligen Eigentümer respektive die Eigentümergemeinschaft als Ganzes und damit schlussendlich auch die Verwaltung.

4. Zusammenfassung:
Aus der Gesamtschau der vorstehend aufgezeigten drei rechtlichen Teilaspekte lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:

    • Notwendig ist in jedem Fall eine Schließregelung, welche die Passierbarkeit des Fluchtweges nach außen ständig gewährleistet, um der öffentlich rechtlichen Verpflichtung zu einem vorbeugenden Brandschutz Genüge zu tun.

 

    • Der Einzelne muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass er selber einen Schlüssel besitzt, mit welchem er im Notfall die Türe öffnen kann. Denn die Eigentümergemeinschaft ist als Verband verpflichtet die Passierbarkeit nach außen für Jedermann zu gewährleisten und aufrecht zu erhalten.

 

  • Daraus folgt, dass die Eigentümergemeinschaft gehalten ist, entweder eine ständig unverschlossene Haustüre anzuordnen oder – aus Sicherheitsaspekten – zwar die nächtliche Schließung vorzunehmen, dann jedoch die Haustür mit einer „Paniköffnung“ zu versehen oder aber einen Schlüssel in einem leicht zugänglichen notbeleuchteten und gekennzeichneten Notfallkasten im Hausflur unmittelbar neben der Haustüre bereit zu legen. Denn andernfalls wäre der Fluchtweg bei abgeschlossener Türe versperrt, was eklatant gegen bauordnungsrechtlichen Vorschriften verstößt. Anders wäre nur dann zu entscheiden, wenn ein zweiter Fluchtweg zur Verfügung stünde.

Praxishinweis:
Das einzelne Wohnungseigentumsmitglied hat einen Anspruch gegen die Eigentümergemeinschaft auf Ausübung ordnungsgemäßer Verwaltung, wie vorstehend aufgezeigt. Dies bezieht sich sowohl auf die Schließregelung in der Hausordnung durch Beschluss oder durch Vereinbarung, als auch deren Umsetzung durch jeden Einzelnen. Die Eigentümergemeinschaft, aber auch und gerade die Verwaltungen sind deshalb gehalten, die aufgezeigten Maßnahmen zur Vermeidung von zivil- und ggf. auch strafrechtlichen Konsequenzen zu ergreifen.

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