Richtig zustellen – aber wie ?

Richtig zustellen – aber wie ?

22. Juli 2017 | Allgemein | von Prof. Dr. Ralf Stark

Jeder Mensch der am Leben und am Rechtsverkehr teilnimmt weiß, dass bestimmte Erklärungen (Kündigungen von Wohnraum oder Arbeitsverhältnisse, Widerruf von Verträgen, Fristsetzungen pp.) rechtssicher, d.h. nachweisbar zugestellt werden müssen. Dennoch bestehen weit verbreitet große Unsicherheiten und Unkenntnis darüber, welche Arten von Zustellungen es gibt und wann etwas nachweisbar zugestellt ist. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über dieses praxisrelevante Thema.

 

1.) Der einfache Brief

Die Versendung eines einfachen Briefes stellt überhaupt keinen Nachweis dar, sodass von dieser Variante der Versendung eindeutig abzuraten ist. Anders ist es nur dann, wenn der Empfänger auf den Erhalt eines Schreibens antwortet, weil der damit inzident den Erhalt des Briefes bestätigt.

 

2.) Versendung per Telefax

Entgegen einer weit verbreiteten Meinung stellt auch die Versendung eines Telefaxes keinerlei Nachweis dar. Das gilt auch dann, wenn man ein Sendeprotokoll vorweisen kann. Denn das Sendeprotokoll stellt nur einen Nachweis dafür dar, dass die Versendung aus dem Faxgerät ordnungsgemäß erfolgt ist. Ob die Sendung auch tatsächlich bei dem Empfänger ordnungsgemäß angekommen ist, wird hierdurch nicht bestätigt. Nichts anderes gilt, wenn auf dem Sendeprotokoll ein „OK“ erscheint. Denn dieses „OK“ wird auch dann angezeigt, wenn das Empfängerfaxgerät defekt ist oder der Toner des Empfängerfaxgerätes leer ist. Dementsprechend stellt das Sendeprotoll keinen Nachweis für den Zugang eines Schriftstücks dar. Bestenfalls – und auch dies wird nicht von allen Gerichten anerkannt – begründet das Sendeprotokoll ein Indiz dafür, dass ein Schriftstück auch tatsächlich angekommen ist, sodass dem Empfänger in diesem Fall eine sog. „sekundäre Darlegungslast“ trifft, wonach er vorzutragen hat aus welchen Gründen der Erhalt der Faxsendung ausgeschlossen sein „kann“ (bspw. häufiger Ausfall des Faxgerätes).

Vor diesem Hintergrund stellt die Versendung eine Schriftstücks mit Telefax kein rechtssicherer Nachweis dar. Dies einmal ganz abgesehen davon, dass das Gesetz für bestimmte Willenserklärungen, wie bspw. die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses oder eines Arbeitsverhältnisses die Schriftform zwingend vorschreibt. Dafür muss indes das Schreiben original unterschrieben sein, wofür eine Übermittlung per Telefax nicht ausreicht.

 

3.) Die E-Mail

Eine E-Mail gilt nur dann als zugestellt, wenn sie in der Mailbox des Empfängers oder des Providers abrufbar gespeichert wird. Dies muss derjenige beweisen, der sich auf den Zugang berufen möchte, was per se schon sehr schwierig ist. Selbst wenn dieser Beweis geführt werden kann, stehen einige Gerichte noch auf dem Standpunkt, dass damit immer noch nicht der Nachweis für den Zugang beim Empfänger geführt wurde, weil die E-Mail auch im Spam-Ordner landen oder auf dem Weg zum Adressaten sonst verloren gehen kann. Dieser Zugang beim Empfänger ist praktisch nicht zu führen.

Damit ist die Übersendung per E-Mail nicht dafür geeignet den Zugang einer Willenserklärung nachzuweisen. Anders ist es nur dann, wenn der Empfänger auf den Inhalt einer E-Mail direkt antwortet und der ursprüngliche Text in der ursprünglichen Mail noch enthalten ist.

Dessen ungeachtet erfüllt eine E-Mail mangels Unterschrift nie das in einigen Fällen vorgeschriebene Schriftformerfordernis (wie bspw. der Kündigung von Mietverträgen pp).

 

4.) Das Einwurf-Einschreiben

Eine kostengünstige und relativ sichere Versendung eines Schriftstücks ist das sog. Einwurf-Einschreiben. Hierbei wirft der Postbote das Schriftstück in den Briefkasten ein und dokumentiert dies mit seiner Unterschrift auf dem Auslieferungsbeleg. Bestreitet der Empfänger den Zugang des Schreibens wird der Postbote (den man durch den Sendeverfolgung über die Post in Erfahrung bringen kann) von dem Gericht als Zeuge gehört. Hierbei muss sich der Postbote nicht daran erinnern, dass er ausgerechnet das streitgegenständliche Schriftstück in den Briefkasten eingeworfen hat (was er bei tausenden von Schriftstücken pro Jahr sicherlich auch nicht kann).

 

Es reicht aber, dass er vor Gericht bekundet, dass er den Auslieferungsbeleg immer erst dann ausfüllt, wenn er das betreffende Schriftstück auch tatsächlich in den Briefkasten eingelegt hat. Dennoch gehe einige Gerichte davon aus, dass die Versendung mit Einwurf-Einschreiben nur ein Anscheinsbeweis begründet, sodass der Empfänger vortragen könne, dass trotz der Aussage des Postbote das Schriftstück dennoch nicht in seinem Briefkasten war, sodass hier ein gewisses Restrisiko besteht.

In jedem Fall ist zu raten bei Versendung per Einwurf-Einschreien einen Zeugen (das kann auch ein Ehegatte oder sonstiger Verwandter sein !) das Schriftstück lesen und einkuvertieren zu lassen. Dies deshalb, damit der Empfänger nicht etwa behauptet zwar den Briefumschlag, nicht aber das Schriftstück erhalten zu haben…. !

 

5.) Das Übergabe – Einschreiben

Bei dem Übergabe – Einschreiben übergibt der Postbote das Schreiben persönlich an den Empfänger oder eine Person aus seiner Lebens-/Arbeitssphäre und notiert sich dies. In diesem Fall gilt hinsichtlich des Zugang und des Nachweises entsprechendes wie für das Einwurf-Einschreiben. Trifft der Postbote den Empfänger aber nicht an, dann wirft der Postbote dem Empfänger eine Benachrichtigung in den Briefkasten, dass er bei der Post ein Schriftstück abholen kann, wobei die Betonung auf „kann“ liegt. Holt der Empfänger das Schriftstück nämlich nicht ab (wozu keine rechtliche Verpflichtung besteht !) liegt keine wirksame Zustellung vor.

 

6.) Das Übergabe – Einschreiben mit Rückschein

Das Übergabe – Einschreiben mit Rückschein ist relativ teuer und wird hinsichtlich des Beweiswertes deutlich überschätzt:

Trifft der Postbote den Empfänger an, übergibt ihm das Schriftstück und der Empfänger bestätigt den Empfang, dann ist der Nachweis zum Erhalt des Schriftstücks geführt, wenn auch hier durch Zeugen bestätigt werden kann, dass dieses Schriftstück in diesem Briefumschlag vorhanden war (vgl. die Ausführungen zu Pkt. 4).

Weigert sich der Empfänger das Schriftstück anzunehmen (bspw. weil er eine Kündigung erwartet / vermutet), dann hilft ihm dies nicht, weil dies nichts anderes als eine Zugangsvereitelung darstellt, sodass der Zugang für diesen Fall fingiert wird.

A B E R, trifft der Postbote den Empfänger nicht an oder/und macht der Empfänger schlichtweg die Türe nicht auf (etwa weil er „schlechte Nachrichten“ erwartet…) dann wirft der Postbote auch in diesem Fall lediglich einen Benachrichtigungszettel in den Briefkasten, dass ein Schriftstück bei der Post abgeholt werden „kann“, wobei auch hier – wie zuvor dargestellt – die Betonung auf „kann“ liegt, sodass bei Nichtabholung keine Zustellung erfolgt.

 

7.) Zustellung mit Boten

Die Zustellung eines Schriftstücks mit Boten ist eine sehr sichere – aber oftmals nicht praktikable – Zustellungsart.

Wohnt der Empfänger eines Schriftstücks bspw. hunderte von Kilometer entfernt, dann ist die Zustellung mittels Boten, umständlich, kostenintensiv und damit vielleicht gar nicht möglich. Anders ist es, wenn der Empfänger in räumlicher Nähe wohnt. Wirft der Bote das Schriftstück in den Briefkasten ein oder hat er sogar die Möglichkeit das Schriftstück persönlich an den Empfänger zu übergeben ist (bei entsprechender Erinnerungsfähigkeit des Boten) der Nachweis des Zugang geführt. Wobei auch für diesen Fall gilt, dass der Bote Kenntnis vom Inhalt des Schriftstücks haben sollte. Da der Bote als Zeuge fungiert, muss er eben Zeuge und nicht Partei eines Rechtsstreits sein. Zeugenqualität haben indes – wie zuvor ausgeführt – auch Freunde, Ehegatte, sonstige Verwandte oder auch Arbeitskollegen. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Zeugen gilt indes:

Desto fernliegender die persönliche / geschäftliche Beziehung ist, desto besser für die Glaubwürdigkeit des Zeugen.

 

8.) Die Gerichtsvollzieherzustellung

Eine sehr sichere (und relativ teure) Zustellung eines Schriftstücks ist die Zustellung über den Gerichtsvollzieher. Hierbei wendet man sich zunächst an das zuständige Amtsgericht am Ort des Empfängers. Dort an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle (die Kontaktdaten findet man leicht über die Datenbank „Orts- und Gerichtsverzeichnis“). Sodann ist das zu übermittelnde Schreiben an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle zu senden, welches das Schreiben an den zuständigen Gerichtsvollzieher weiterleitet.

 

Wichtig ist für diesen Fall, dass sich das Schreiben nicht in einem verschlossenen Umschlag befinden darf, weil der Gerichtsvollzieher von dem Inhalt Kenntnis haben muss. Aus diesem Grunde sollte dem Schreiben zwei Kopien beigefügt werden. Sodann stellt der Gerichtsvollzieher das Schreiben über einen Zustelldienst zu und wird eine Bescheinigung über Ort, Zeit und Art des Empfangs der Zustellung ausstellen (sog. Postzustellungsurkunde). Diese Postzustellungsurkunde verbindet der Gerichtsvollzieher mit der Kopie des Schreibens und übersendet dies an den Auftraggeber zurück. Für diesen Fall erfolgt die Zustellung (auch des Inhalts) gerichtfest. Die Kosten dieser Gerichtsvollzieherzustellung belaufen sich auf ca. EUR 14,00.

 

9.) Die persönliche Gerichtsvollzieherzustellung

Die sicherste (und teuerste) Art der Zustellung ist die persönliche Zustellung durch den Gerichtsvollzieher. Hierbei wird der Gerichtsvollzieher über die Gerichtsvollzieherverteilerstelle des Amtsgerichts (vgl. hierzu die Ausführungen unter Pkt. 8) angeschrieben und um eine persönliche Zustellung gebeten. Auch für diesen Fall gilt, dass zwei Kopien der zuzustellenden Schriftstücke beigefügt werden sollten. Sodann wird der Gerichtsvollzieher das Schriftstück persönlich in dem Haushalt / der Geschäftsstelle des Empfängers übergeben (respektive bei Nichterreichbarkeit in den Briefkasten einlegen)  und dem Auftraggeber die Zustellungsurkunde übersenden. Damit ist der Zugang der Willenserklärung rechtssicher geführt.

 

10.) Exkurs:

Der rechtsfreie Raum –  GEZ, heute ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice

Ein rechtliches Erlebnis der besonderen Art erfuhr der Verfasser dieses Beitrags kürzlich in einer rechtlichen Auseinandersetzung mit der vg. Körperschaft des Öffentlichen Rechts:

Gegen den Verfasser wurden Beitragsgebühren festgesetzt, obwohl er in der streitgegenständlichen Wohnung nicht lebt. Die Festsetzung erfolgte durch Bescheid.

 

Diese Bescheide wurden mit einfacher Post versandt und erreichten den Verfasser zu keinem Zeitpunkt. Vielmehr erhielt der Verfasser erst durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Kenntnis von der Existenz der vg. Bescheide. In dem hiergegen angestrengten Klageverfahren vertritt das Verwaltungsgericht Köln (unter Verweis auf obergerichtliche Rechtsprechung) die Ansicht, dass die Bescheide zugegangen und damit rechtskräftig sind. Dies mit der bemerkenswerten Begründung, dass

„aus der allgemeinen Lebenserfahren folgen müsse, dass .. der Empfänger den Bescheid auch tatsächlich erhalten haben muss. Werden etwa mehrere Bescheide über einen längeren Zeitraum nachweislich an eine zutreffende Adresse des Rundfunkgebührenpflichtigen versandt, ohne dass einer der Bescheide als unzustellbar in den Postlauf gerät, erscheint es als lebensfremd, dass sämtliche Sendungen im Postbetrieb verloren gegangen sein könnten“.

 

Da der Rundfunkgebührenpflichtige naturgemäß nicht vortragen, geschweige denn beweisen kann, welche Postsendung in den Rücklauf gekommen sind, ist eine effektive Rechtsverteidigung in diesem Rechtsverhältnis praktisch ausgeschlossen.

Hinweis:

Die vg. Entscheidung des VG Köln im Eilverfahren vom 27.03.2017,  Az.: 6 L 278/17, ist aufgrund des zu geringen Streitwertes unanfechtbar, sodass auf die dann rechtsmittelfähige Entscheidung im Hauptsacheverfahren zugewartet werden muss.

Praxistipp:

Aus den vg. Gründen empfiehlt sich bei Versendung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen regelmäßig die Versendung per Einwurf-Einschreiben (gutes Kosten-/Nutzenverhältnis). Geht es demgegenüber um den Zugang von Willenserklärungen welche erhebliche Rechtswirkungen haben können, dann sollte die persönliche Zustellung durch den Gerichtsvollzieher bevorzugt werden. Für diesen Fall empfiehlt sich folgendes Anschreiben (über die Gerichtsvollzieherverteilerstelle).

Sehr geehrter Herr Gerichtsvollzieher, sehr geehrte Frau Gerichtsvollzieherin,

hiermit beauftrage ich Sie mit der Zustellung des in der Anlage übersanden Schreiben an Herrn/Frau ……. . Ich bitte höflich darum das vg. Schreiben persönlich an Herrn/Frau…. Auszuhändigen, da es sich bei dem Schreiben um eine ….. (Kündigung/Abmahnung pp) handelt. Ich weise der guten Ordnung halber darauf hin, dass das Schreiben bis spätestens zum …… an Herrn/Frau…. Zugestellt werden muss. Die Kosten Ihrer Inanspruchnahme bitte ich mir aufzugeben.

Ich bedanke mich sehr für Ihre Müheverwaltung und verbleibe

 

 

 

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